Hier schreiben ehemalige Zeugen
7. - Sandra schreibt: Besser spät als nie
geschrieben von Sandra:
Besser spät als nie
Nun schreibe ich sie doch, meine Lebensgeschichte.
Alles fing an als ich 16 Jahre war, oder ging es da vorerst zu Ende?
Mit 16 lernte ich eine gleich alte Zeugin Jehovas in der Schule kennen.
Wir saßen zusammen und verstanden uns auch gut.
Oft gab sie mir Zeitschriften und ähnliches. Aber gelesen habe ich nie etwas.
Dann brachte sie mir 1988 das Offenbarungsbuch mit.
Frisch vom Kongress und als ich eine Woche krank im Bett lag, las ich es dann.
Sofort wurde mir klar, das muss die Wahrheit sein.
Diese Erklärungen waren für mich einleuchtend.
Sofort fragte ich unseren evangelischen Pfarrer darüber aus, aber der hatte keine Ahnung von irgendetwas, speiste mich mit fadenscheinigen Gründen ab.
Neugierig geworden fragte ich nach.
Meine Schulkameradin gab mir Zeugnis und nach ein paar Wochen fuhr ich mit einer alten Freundin von früher zu dem Königreichssaal.
Wir hörten uns die Versammlung am Freitag (Theokratische Predigtdienstschule und Dienstzusammenkunft) an, hatten aber keinen blassen Dunst von was dort geredet wurde.
Irgendjemand hielt mir dauernd eine Bibel vor die Nase, aber ich war völlig überfordert, was da geredet wurde.
Hinterher sprach man uns freundlich an und begrüßte uns sehr herzlich.
Völlig angetan von der angenehmen Aufnahme und das Interesse, das uns entgegengebracht wurde, willigte ich in ein Heimbibelstudium ein. Natürlich wusste ich nicht, was das ist und war neugierig.
Eine junge Schwester, nur ein paar Jahre älter als ich, studierte mit mir.
Da ich noch zu Hause wohnte, fragten meine Eltern natürlich, wer dies sei.
Einige Zeit konnte ich verschweigen, dass das eine Zeugin Jehovas sei, aber nach einem Monat bekamen sie doch alles heraus.
Es gab einen furchtbaren Krach, da meine Eltern evangelisch sind und sonst auch sehr streng waren.
Natürlich verboten sie, dass diese Schwester zu mir käme.
Also bin ich mit dem Auto meiner Mutter zu ihr ins Nachbardorf zum Studieren gefahren.
In die Zusammenkünfte holte mich ein Bruder aus dem Bethel ab.
Je mehr Druck meine Eltern machten, mit dem Studieren aufzuhören, desto mehr klammerte ich mich an die Zeugen.
Sie gaben mir Hilfestellungen, luden mich zum Essen ein, und gaben mir das Gefühl zu Ihnen zu gehören.
Mit meinen Eltern brach ich schließlich den Kontakt ab und zog in die nächst größere Stadt, in ein eigenes möbliertes Zimmer, das ich mir mit meiner Ausbildungsvergütung gerade so leisten konnte.
Mir mangelte es an nichts.
Die Glaubensbrüder kümmerten sich auch hier um mich und meine Klassenkameradin wurde meine beste Freundin.
Wir verstanden uns super und ihre Eltern waren dann auch meine.
Ich studierte, zog plötzlich Röcke an und ging in den Predigtdienst so ganz selbstverständich.
Meine früheren Freunde und meine Familie zogen sich zurück und ich freute mich, etwas „Besseres“ zu sein.
Nur sechs Monate nach dem Anfang des ersten Kennenlernens in der Versammlung lies ich mich taufen.
Nach meiner Ausbildung ging ich mit meiner besten Freundin in den Pionierdienst.
Alles ging so schnell, zum Nachdenken war keine Zeit, ständig waren wir eingeladen, im Dienst und Arbeiten gingen wir ja auch, wenn auch Teilzeit.
Alles in allem gesehen war es eine schöne, unbeschwerte Zeit.
Pionierdienstschule, Vorrechte, Schulungen… wir dachten wirklich, wir sind etwas „Besseres“ als die anderen.
Dann heiratete meine beste Freundin nach nur sechs Wochen Kennenlernen ihren Mann, einen Bruder aus dem Bethel.
Ich zog wieder in meine alte Versammlung zurück, wo ich das erste Mal war.
Meine Eltern hatten sich etwas beruhigt und so wohnte ich wieder zu Hause.
Zu Hause war ich aber selten, das Geschwätz des kleinen Dorfes und die schiefen Blicke, die auch meine Eltern zu spüren bekamen, bekräftigten meinen Entschluss noch zu den „Auserwählten“ zu gehören.
Viele Brüder bemühten sich um mich, aber nach einem gescheiterten Kennenlernen (der Mann ist das Haupt und bestimmt), hatte ich mich entschlossen lieber ledig zu bleiben.
Denn das Unterordnen fiel mir sehr schwer, da ich immer schon meinen eigenen Willen besaß.
In Glaubensfragen stimmte ich nicht ganz der offiziellen Lehre zu.
Das Geschlecht aus Matthäus hieß damals noch Generation und machte mir Probleme und noch einige andere Dinge, aber da man immer in Zeitdruck war, konnte ich nie darüber nachdenken.
Nach fünf Jahren Pionierdienst lernte ich einen jungen Mann (einen "Interessierten") kennen, der neu in der Wahrheit war.
Wir unternahmen viel zusammen und waren uns auch sympathisch. Den anderen war das ein Dorn im Auge.
Ich wurde vor die Ältesten zitiert und kurz nach seiner Taufe verlobten wir uns auf Grund des Drucks der Ältesten.
Kurz darauf heirateten wir, da wir nie zusammen etwas unternehmen konnten.
Einige versuchten, uns auseinander zu bringen mit Intrigen und falschen Geschwätz, aber wir hörten nicht auf sie.
Unsere Ehe ist bis heute in Ordnung.
Mein Mann wurde nach einem Jahr depressiv und musste seine Arbeit aufgeben, das verstanden die meisten schon nicht.
Aber wir entschädigten sie dafür, dass er den Hilfspionierdient aufnahm.
Aber dann wurde ich schwanger.
Meine erste Tochter kündigte sich an.
Ich musste sofort mit dem Pionierdienst aufhören, sonst hätte ich das Baby verloren.
Endlich mal etwas Ruhe.
Alleine konnte mein Mann den Dienst nicht durchführen und so hörte er auch auf.
Nach der Geburt blieb ich ein Jahr zu Hause und ging dann wieder arbeiten.
Mein Mann nahm sich den Erziehungsurlaub, dann folgten meine zweite Tochter und schließlich noch unser Sohn.
Mit dem Erziehungsstil der Zeugen konnte ich mich nicht anfreunden.
Auf die Toilette gehen und die Kinder züchtigen (schlagen), nur weil sie nicht zwei Stunden ruhig sitzen konnten.
Nein, da wehrte ich mich dagegen.
Mein Mann und ich hatten harte Auseinandersetzungen deshalb.
Aber als ich nicht locker ließ, gab er nach.
Nach der Geburt meines Sohnes im Jahr 2000 wurden wir in ein Buchstudium verlegt, das Dienstags abends stattfand.
Da Mittwochs abends auch Versammlung war, rebellierte ich dagegen, da meine große Tochter mit fünf Jahren in den Kindergarten ging und ich zwei Tage hintereinander zu viel fand.
Der Buchstudiumleiter interessierte sich aber nicht im Geringsten für mein Problem, so dass ich einfach nicht mehr hinging.
Das ging ein Jahr lang so.
Die Probleme fingen an:
Meine große Tochter hatte Probleme sich im Kindergarten und Schule zu integrieren, da wir sie zu spät in den Kindergarten geschickt hatten (mein Mann wollte es nicht).
Die Kinder waren oft krank, so dass ich endlich etwas Zeit hatte zum Nachdenken.
Mein Mann erledigte nur einen geringen Teil der Hausarbeit, so dass ich, wenn ich um zwei Uhr nach Hause kam, den ganzen Tag zu tun hatte.
Harte Auseinandersetzungen mit ihm folgten, er weigerte sich, eine Arbeit zu suchen.
Mit meinem Gehalt kamen wir gerade so über die Runden, viel blieb nie übrig.
Da er keinen anderen Halt hatte, fing er an täglich mit den Kindern eine Stunde zu studieren, und vier Mal wöchentlich bis spät Nachts in die Kneipe zu gehen.
In den Dienst ging er selten, da die meisten ihn mieden, als Kneipengänger und Bartträger war es den meisten nicht theokratisch genug.
Also musste ich herhalten.
Mit allen Kindern waren wir unterwegs, den Dienst organisieren, auf die Kinder aufpassen und an den Türen sprechen.
Das musste alles ich.
Nach einiger Zeit bekamen meine Töchter nachts Alpträume, nächtelang saß ich an ihren Betten und musste morgens um fünf Uhr wieder raus zum Arbeiten.
Als ich rausbekam, dass sie vor Harmagedon Angst hatten und vor den Menschen in der Schule und überhaupt fast allem, zog ich die Notbremse.
Durch das studieren (je eine Stunde am Tag) hatten meine Kinder den Bezug zur Realität verloren und ich glaube mein Mann auch.
Schwere Wochen und Monate brauchte ich um mit meinem Mann dazu zu bringen mit dem vielen Studieren aufzuhören.
Er schlug zu - ich drohte mit der Polizei und ging zum Scheidungsanwalt, der einen Brief schrieb, den er nie las, da er Angst hatte.
Ich sagte ihm, ich wolle die Scheidung, da er die Kinder und mich geschlagen hatte und er solle sofort ausziehen.
Natürlich ging er nicht, da er überhaupt nicht mehr lebensfähig war.
Nur studieren konnte er noch.
Ich begann die Kinder im Sportverein anzumelden.
Danach in die Musikschule, Schwimmen lernen und später weiter trainieren, Reiten lernen und erlaubte ihnen Freundinnen und Freunde mitzubringen.
Da mein Mann verboten hatte, dass die Mädchen mit anderen Weltmenschen spielen durften, begann ich langsam die Kinder auf die Straße zu schicken so das sie lernten mit anderen zu spielen und erste Freundschaften zu knüpfen.
Meine älteste Tochter war zu diesem Zeitpunkt 7 Jahre alt und die Jüngste fünf.
Höchste Zeit also.
Die Mädchen entwickelten sich mit Hilfe der Lehrer, mit denen ich Kontakt hatte, super.
Heute merkt man ihnen nicht mehr an, wie ängstlich und kontaktscheu sie einmal waren.
Ich fing an in ein neues Buchstudium zu gehen, Dienstags mittags extra für uns eingerichtet.
Aber bald merkte ich, dass ist nicht mehr meine Welt.
Ich hatte Freundschaften in der „Welt“ gefunden, endlich Menschen die mich so nahmen wie ich war als Zeuge oder auch Nichtzeuge.
Kein Leistungsdruck mehr, keine Annerkennung nur bei besonderen Leistungen, kein Nörgeln, kein böses Geschwätz über andere.
Ich engagierte mich in unserem neu gegründeten Kindergarten und ging in den Vorstand.
Auch hier Menschen, die einander einfach akzeptierten und tolerierten.
All das fand ich bei den Zeugen nie.
Ich fing an mich im Internet schlau zu machen, über verschiedene Lehren, überprüfte zum ersten Mal sei zwölf Jahren, an was ich überhaupt glaubte.
Die einseitige Ernährung der Wachtturmgesellschaft, machte mich lange Zeit unfähig selbst Entscheidungen zu treffen und selbstständig zu denken.
Doch ich war endlich wieder ich selbst. Ich las Fachbücher, die mich interessierten und fing an mit meinen Kindern das erste Mal zum Fasching zu gehen.
Die Kinder gehen inzwischen zu Geburtagspartys und Festen, alleine ins Schwimmbad und sind sehr selbständig.
Das Studieren habe ich nach langem Kampf mit meinem Mann auf eine Stunde (an drei Tagen auf je ca 20 Minuten) beschränkt.
Sonntags darf er die Kinder mit in die Versammlung nehmen, sehr zum Leidwesen unserer Kinder.
Da gibt es nur Gejammere, Geschimpfte und oft haben die Kinder angeblich Bauchweh und vieles andere.
Unsere Ehe hat bis jetzt standgehalten.
Mein Mann hat davon profitiert, er engagiert sich im Kindergarten, hilft Nachbarn bei der Gartenarbeit, renoviert unser Ferienhaus.
In die Versammlung geht er nach wie vor, trotz Anfeindungen einiger Brüder.
Er ist hart im Nehmen geworden.
Geht weiterhin in Kneipen, unternimmt viel mit "Weltmenschen" und macht viele Dinge die ein Zeuge eigentlich nicht tun darf.
Er surft im Internet bei gewissen Seiten und ist längst nicht mehr so verbissen.
Unser Privatleben ist endlich harmonisch, da wir niemand mehr in unsere zwischenmenschliche Beziehungen Einblicke gewähren.
Ab und zu haben wir zwar noch Auseinandersetzungen, aber mein Mann akzeptiert mich endlich nicht als untergebene Frau, sondern als vollwertigen Partner.
Ich blicke mit Zuversicht in die Zukunft.
Es lief wohl ein Rechtsverfahren gegen mich, da ich meine Meinung auch öffentlich vertrete und ich bin jetzt "ausgeschlossen".
Zur Verhandlung (wegen Abtrünnigkeit) bin ich nicht erschienen und habe auch keinen Kontakt mehr gewünscht.
Bei Telefonanrufen von Ältesten lege ich einfach schweigend auf.
Das hat gewirkt.
Ich hatte einen Brief mit der Bitte um Löschung meiner Daten und meinen Austritt geschrieben, aber auf die Bitte meines Mannes es nicht zu tun, hatte ich den Brief bis jetzt noch nicht abgeschickt.
Das hat sich ja dann erledigt.
Mein Mann hatte einige Zurechtweisungen erhalten wegen Pornografie und weltlicher Gesinnung, aber damit hat es sich.
Ich bin sicher, dass auch er es schaffen wird, sich von der alles bestimmenden Wachtturmorganisation auf Dauer zu lösen.
Alles braucht seine Zeit.
Meine Kinder sind jetzt fast elf, acht und fünf Jahre alt und ich bin froh sie nicht in ein engmaschiges Netz einzusperren, sondern ihnen die Freiheit zu geben selbst Erfahrungen zu machen und Entscheidungen zu treffen.
Besser spät als nie
Nun schreibe ich sie doch, meine Lebensgeschichte.
Alles fing an als ich 16 Jahre war, oder ging es da vorerst zu Ende?
Mit 16 lernte ich eine gleich alte Zeugin Jehovas in der Schule kennen.
Wir saßen zusammen und verstanden uns auch gut.
Oft gab sie mir Zeitschriften und ähnliches. Aber gelesen habe ich nie etwas.
Dann brachte sie mir 1988 das Offenbarungsbuch mit.
Frisch vom Kongress und als ich eine Woche krank im Bett lag, las ich es dann.
Sofort wurde mir klar, das muss die Wahrheit sein.
Diese Erklärungen waren für mich einleuchtend.
Sofort fragte ich unseren evangelischen Pfarrer darüber aus, aber der hatte keine Ahnung von irgendetwas, speiste mich mit fadenscheinigen Gründen ab.
Neugierig geworden fragte ich nach.
Meine Schulkameradin gab mir Zeugnis und nach ein paar Wochen fuhr ich mit einer alten Freundin von früher zu dem Königreichssaal.
Wir hörten uns die Versammlung am Freitag (Theokratische Predigtdienstschule und Dienstzusammenkunft) an, hatten aber keinen blassen Dunst von was dort geredet wurde.
Irgendjemand hielt mir dauernd eine Bibel vor die Nase, aber ich war völlig überfordert, was da geredet wurde.
Hinterher sprach man uns freundlich an und begrüßte uns sehr herzlich.
Völlig angetan von der angenehmen Aufnahme und das Interesse, das uns entgegengebracht wurde, willigte ich in ein Heimbibelstudium ein. Natürlich wusste ich nicht, was das ist und war neugierig.
Eine junge Schwester, nur ein paar Jahre älter als ich, studierte mit mir.
Da ich noch zu Hause wohnte, fragten meine Eltern natürlich, wer dies sei.
Einige Zeit konnte ich verschweigen, dass das eine Zeugin Jehovas sei, aber nach einem Monat bekamen sie doch alles heraus.
Es gab einen furchtbaren Krach, da meine Eltern evangelisch sind und sonst auch sehr streng waren.
Natürlich verboten sie, dass diese Schwester zu mir käme.
Also bin ich mit dem Auto meiner Mutter zu ihr ins Nachbardorf zum Studieren gefahren.
In die Zusammenkünfte holte mich ein Bruder aus dem Bethel ab.
Je mehr Druck meine Eltern machten, mit dem Studieren aufzuhören, desto mehr klammerte ich mich an die Zeugen.
Sie gaben mir Hilfestellungen, luden mich zum Essen ein, und gaben mir das Gefühl zu Ihnen zu gehören.
Mit meinen Eltern brach ich schließlich den Kontakt ab und zog in die nächst größere Stadt, in ein eigenes möbliertes Zimmer, das ich mir mit meiner Ausbildungsvergütung gerade so leisten konnte.
Mir mangelte es an nichts.
Die Glaubensbrüder kümmerten sich auch hier um mich und meine Klassenkameradin wurde meine beste Freundin.
Wir verstanden uns super und ihre Eltern waren dann auch meine.
Ich studierte, zog plötzlich Röcke an und ging in den Predigtdienst so ganz selbstverständich.
Meine früheren Freunde und meine Familie zogen sich zurück und ich freute mich, etwas „Besseres“ zu sein.
Nur sechs Monate nach dem Anfang des ersten Kennenlernens in der Versammlung lies ich mich taufen.
Nach meiner Ausbildung ging ich mit meiner besten Freundin in den Pionierdienst.
Alles ging so schnell, zum Nachdenken war keine Zeit, ständig waren wir eingeladen, im Dienst und Arbeiten gingen wir ja auch, wenn auch Teilzeit.
Alles in allem gesehen war es eine schöne, unbeschwerte Zeit.
Pionierdienstschule, Vorrechte, Schulungen… wir dachten wirklich, wir sind etwas „Besseres“ als die anderen.
Dann heiratete meine beste Freundin nach nur sechs Wochen Kennenlernen ihren Mann, einen Bruder aus dem Bethel.
Ich zog wieder in meine alte Versammlung zurück, wo ich das erste Mal war.
Meine Eltern hatten sich etwas beruhigt und so wohnte ich wieder zu Hause.
Zu Hause war ich aber selten, das Geschwätz des kleinen Dorfes und die schiefen Blicke, die auch meine Eltern zu spüren bekamen, bekräftigten meinen Entschluss noch zu den „Auserwählten“ zu gehören.
Viele Brüder bemühten sich um mich, aber nach einem gescheiterten Kennenlernen (der Mann ist das Haupt und bestimmt), hatte ich mich entschlossen lieber ledig zu bleiben.
Denn das Unterordnen fiel mir sehr schwer, da ich immer schon meinen eigenen Willen besaß.
In Glaubensfragen stimmte ich nicht ganz der offiziellen Lehre zu.
Das Geschlecht aus Matthäus hieß damals noch Generation und machte mir Probleme und noch einige andere Dinge, aber da man immer in Zeitdruck war, konnte ich nie darüber nachdenken.
Nach fünf Jahren Pionierdienst lernte ich einen jungen Mann (einen "Interessierten") kennen, der neu in der Wahrheit war.
Wir unternahmen viel zusammen und waren uns auch sympathisch. Den anderen war das ein Dorn im Auge.
Ich wurde vor die Ältesten zitiert und kurz nach seiner Taufe verlobten wir uns auf Grund des Drucks der Ältesten.
Kurz darauf heirateten wir, da wir nie zusammen etwas unternehmen konnten.
Einige versuchten, uns auseinander zu bringen mit Intrigen und falschen Geschwätz, aber wir hörten nicht auf sie.
Unsere Ehe ist bis heute in Ordnung.
Mein Mann wurde nach einem Jahr depressiv und musste seine Arbeit aufgeben, das verstanden die meisten schon nicht.
Aber wir entschädigten sie dafür, dass er den Hilfspionierdient aufnahm.
Aber dann wurde ich schwanger.
Meine erste Tochter kündigte sich an.
Ich musste sofort mit dem Pionierdienst aufhören, sonst hätte ich das Baby verloren.
Endlich mal etwas Ruhe.
Alleine konnte mein Mann den Dienst nicht durchführen und so hörte er auch auf.
Nach der Geburt blieb ich ein Jahr zu Hause und ging dann wieder arbeiten.
Mein Mann nahm sich den Erziehungsurlaub, dann folgten meine zweite Tochter und schließlich noch unser Sohn.
Mit dem Erziehungsstil der Zeugen konnte ich mich nicht anfreunden.
Auf die Toilette gehen und die Kinder züchtigen (schlagen), nur weil sie nicht zwei Stunden ruhig sitzen konnten.
Nein, da wehrte ich mich dagegen.
Mein Mann und ich hatten harte Auseinandersetzungen deshalb.
Aber als ich nicht locker ließ, gab er nach.
Nach der Geburt meines Sohnes im Jahr 2000 wurden wir in ein Buchstudium verlegt, das Dienstags abends stattfand.
Da Mittwochs abends auch Versammlung war, rebellierte ich dagegen, da meine große Tochter mit fünf Jahren in den Kindergarten ging und ich zwei Tage hintereinander zu viel fand.
Der Buchstudiumleiter interessierte sich aber nicht im Geringsten für mein Problem, so dass ich einfach nicht mehr hinging.
Das ging ein Jahr lang so.
Die Probleme fingen an:
Meine große Tochter hatte Probleme sich im Kindergarten und Schule zu integrieren, da wir sie zu spät in den Kindergarten geschickt hatten (mein Mann wollte es nicht).
Die Kinder waren oft krank, so dass ich endlich etwas Zeit hatte zum Nachdenken.
Mein Mann erledigte nur einen geringen Teil der Hausarbeit, so dass ich, wenn ich um zwei Uhr nach Hause kam, den ganzen Tag zu tun hatte.
Harte Auseinandersetzungen mit ihm folgten, er weigerte sich, eine Arbeit zu suchen.
Mit meinem Gehalt kamen wir gerade so über die Runden, viel blieb nie übrig.
Da er keinen anderen Halt hatte, fing er an täglich mit den Kindern eine Stunde zu studieren, und vier Mal wöchentlich bis spät Nachts in die Kneipe zu gehen.
In den Dienst ging er selten, da die meisten ihn mieden, als Kneipengänger und Bartträger war es den meisten nicht theokratisch genug.
Also musste ich herhalten.
Mit allen Kindern waren wir unterwegs, den Dienst organisieren, auf die Kinder aufpassen und an den Türen sprechen.
Das musste alles ich.
Nach einiger Zeit bekamen meine Töchter nachts Alpträume, nächtelang saß ich an ihren Betten und musste morgens um fünf Uhr wieder raus zum Arbeiten.
Als ich rausbekam, dass sie vor Harmagedon Angst hatten und vor den Menschen in der Schule und überhaupt fast allem, zog ich die Notbremse.
Durch das studieren (je eine Stunde am Tag) hatten meine Kinder den Bezug zur Realität verloren und ich glaube mein Mann auch.
Schwere Wochen und Monate brauchte ich um mit meinem Mann dazu zu bringen mit dem vielen Studieren aufzuhören.
Er schlug zu - ich drohte mit der Polizei und ging zum Scheidungsanwalt, der einen Brief schrieb, den er nie las, da er Angst hatte.
Ich sagte ihm, ich wolle die Scheidung, da er die Kinder und mich geschlagen hatte und er solle sofort ausziehen.
Natürlich ging er nicht, da er überhaupt nicht mehr lebensfähig war.
Nur studieren konnte er noch.
Ich begann die Kinder im Sportverein anzumelden.
Danach in die Musikschule, Schwimmen lernen und später weiter trainieren, Reiten lernen und erlaubte ihnen Freundinnen und Freunde mitzubringen.
Da mein Mann verboten hatte, dass die Mädchen mit anderen Weltmenschen spielen durften, begann ich langsam die Kinder auf die Straße zu schicken so das sie lernten mit anderen zu spielen und erste Freundschaften zu knüpfen.
Meine älteste Tochter war zu diesem Zeitpunkt 7 Jahre alt und die Jüngste fünf.
Höchste Zeit also.
Die Mädchen entwickelten sich mit Hilfe der Lehrer, mit denen ich Kontakt hatte, super.
Heute merkt man ihnen nicht mehr an, wie ängstlich und kontaktscheu sie einmal waren.
Ich fing an in ein neues Buchstudium zu gehen, Dienstags mittags extra für uns eingerichtet.
Aber bald merkte ich, dass ist nicht mehr meine Welt.
Ich hatte Freundschaften in der „Welt“ gefunden, endlich Menschen die mich so nahmen wie ich war als Zeuge oder auch Nichtzeuge.
Kein Leistungsdruck mehr, keine Annerkennung nur bei besonderen Leistungen, kein Nörgeln, kein böses Geschwätz über andere.
Ich engagierte mich in unserem neu gegründeten Kindergarten und ging in den Vorstand.
Auch hier Menschen, die einander einfach akzeptierten und tolerierten.
All das fand ich bei den Zeugen nie.
Ich fing an mich im Internet schlau zu machen, über verschiedene Lehren, überprüfte zum ersten Mal sei zwölf Jahren, an was ich überhaupt glaubte.
Die einseitige Ernährung der Wachtturmgesellschaft, machte mich lange Zeit unfähig selbst Entscheidungen zu treffen und selbstständig zu denken.
Doch ich war endlich wieder ich selbst. Ich las Fachbücher, die mich interessierten und fing an mit meinen Kindern das erste Mal zum Fasching zu gehen.
Die Kinder gehen inzwischen zu Geburtagspartys und Festen, alleine ins Schwimmbad und sind sehr selbständig.
Das Studieren habe ich nach langem Kampf mit meinem Mann auf eine Stunde (an drei Tagen auf je ca 20 Minuten) beschränkt.
Sonntags darf er die Kinder mit in die Versammlung nehmen, sehr zum Leidwesen unserer Kinder.
Da gibt es nur Gejammere, Geschimpfte und oft haben die Kinder angeblich Bauchweh und vieles andere.
Unsere Ehe hat bis jetzt standgehalten.
Mein Mann hat davon profitiert, er engagiert sich im Kindergarten, hilft Nachbarn bei der Gartenarbeit, renoviert unser Ferienhaus.
In die Versammlung geht er nach wie vor, trotz Anfeindungen einiger Brüder.
Er ist hart im Nehmen geworden.
Geht weiterhin in Kneipen, unternimmt viel mit "Weltmenschen" und macht viele Dinge die ein Zeuge eigentlich nicht tun darf.
Er surft im Internet bei gewissen Seiten und ist längst nicht mehr so verbissen.
Unser Privatleben ist endlich harmonisch, da wir niemand mehr in unsere zwischenmenschliche Beziehungen Einblicke gewähren.
Ab und zu haben wir zwar noch Auseinandersetzungen, aber mein Mann akzeptiert mich endlich nicht als untergebene Frau, sondern als vollwertigen Partner.
Ich blicke mit Zuversicht in die Zukunft.
Es lief wohl ein Rechtsverfahren gegen mich, da ich meine Meinung auch öffentlich vertrete und ich bin jetzt "ausgeschlossen".
Zur Verhandlung (wegen Abtrünnigkeit) bin ich nicht erschienen und habe auch keinen Kontakt mehr gewünscht.
Bei Telefonanrufen von Ältesten lege ich einfach schweigend auf.
Das hat gewirkt.
Ich hatte einen Brief mit der Bitte um Löschung meiner Daten und meinen Austritt geschrieben, aber auf die Bitte meines Mannes es nicht zu tun, hatte ich den Brief bis jetzt noch nicht abgeschickt.
Das hat sich ja dann erledigt.
Mein Mann hatte einige Zurechtweisungen erhalten wegen Pornografie und weltlicher Gesinnung, aber damit hat es sich.
Ich bin sicher, dass auch er es schaffen wird, sich von der alles bestimmenden Wachtturmorganisation auf Dauer zu lösen.
Alles braucht seine Zeit.
Meine Kinder sind jetzt fast elf, acht und fünf Jahre alt und ich bin froh sie nicht in ein engmaschiges Netz einzusperren, sondern ihnen die Freiheit zu geben selbst Erfahrungen zu machen und Entscheidungen zu treffen.
Von Sandra geschrieben 28.07.2005
6. - Diana Cira sagt: Wer vor den Verbrechen der WTG nicht warnt macht sich ihrer Straftaten mitschuldig
Autor: Diana Cira (21.05.2014 13:14)
Liebe Leserinnen und Leser des Eberbach Forums!
Ich bin eine Bürgerin der Stadt Eberbach!
Ich wende mich an Sie, weil ich es für meine zwingende Pflicht halte, Ihnen ein paar Wahrheiten über die Sekte der Zeugen Jehovas, die „netten Menschen aus Ihrer Nachbarschaft“ zu erzählen.
Es gibt wohl kaum jemanden, der die Zeugen Jehovas nicht kennt, entweder kennt man sie aus dem persönlichen Umfeld (Kollege, Nachbarn..) oder durch ihre Haus-zu-Haus-Tätigkeit. Seid ein paar Jahren sieht man sie des öfteren auch Samstags (manchmal auch Donnerstags) an ihrem Stand in der Stadt stehen, zumeist auf dem Leopoldsplatz.
Ich selbst war seit meinem 12. Lebensjahr mit dieser Sekte verbunden und habe meine Teenagerjahre, meine Jugend und mein junges Erwachsenenalter dieser Glaubensgemeinschaft gewidmet. Wie blind ich doch war!!!
Jetzt bin ich 35 Jahre alt und sehe all die Dinge, an die ich jahrelang geglaubt habe, mit ganz anderen Augen!
Wie es dazu kam, erzähle ich Ihnen gerne:
Meine Eltern haben angefangen mit den ZJ die Bibel zu „studieren“, wie man das bei den ZJ nennt, allerdings hat niemand von ihnen jemals eine Universität von innen gesehen, um Theologie zu studieren.
Von da an kamen Woche für Woche ZJ in unser Haus, um diesen Bibelkreis bei uns abzuhalten. Während dieser Bibelbesprechung werden einem die Grundlehren der Zeugen Jehovas näher gebracht, indem ein von ihnen herausgegebenes Buch, zusammen mit ihrer Bibelübersetzung, anhand von Fragen und Antworten besprochen wird.
Hierbei geht es um Themen wie: „Wer ist Jehova?“, „Wer ist Jesus Christus?“, „Was ist das Königreich?“, „Welche Hoffnung haben die Toten?“, „Für immer auf Erden leben“…Bald gingen meine Eltern auch in den Königreichsaal (hier in Eberbach steht dieser gegenüber dem Penny-Markt) und besuchten regelmäßig diese Zusammenkünfte.
In diesen Zusammenkünften geht es ebenfalls um die Lehren der Zeugen Jehovas, die Woche für Woche in öffentlichen Vorträgen, Besprechungen des von ihnen herausgegebenen Wachtturms oder anderer Publikationen dargelegt werden.
Es findet dort auch jede Woche eine besondere Schulung für alle Zeugen statt, wie sie am geschicktesten die Menschen ansprechen und zu einem „Bibelstudium“ bringen können.
So Schritt für Schritt sind wir als Familie da rein gerutscht.
Um sich überhaupt mit Zeugen Jehovas zu beschäftigen muss man sich in einer oft speziellen Lebenslage befinden. Entweder man wird da „hineingeboren“ oder man ist auf der Suche. Auf der Suche nach einem Sinn im Leben, man muss den Tod oder die Trennung eines lieben Menschen verkraften, erhofft sich einfach mehr vom Leben oder ist schlichtweg sehr an Bibel und Religion interessiert.
Meine Eltern, vor allem mein Vater, waren zu dem Zeitpunkt genau an so einem Punkt und ließen sich auf die Zeugen ein. Tut man dies, ist man mit einem Fuß schon drin.
Ich persönlich habe dann auch bald „Karriere“ gemacht, indem ich mit Anfang 20 meine Arbeit als Krankenschwester auf 50% reduziert habe, um mich weitere 70 Stunden im sogenannten Predigtdienst von Haus zu Haus zu engagieren. Ich „bearbeitete“ zusammen mit anderen Glaubensbrüdern und Schwestern ganz Eberbach und die umliegenden Gemeinden von Neckarsteinach bis Neckargerach, von Sensbachtal bis Schwanheim, reiste innerhalb Deutschlands umher, um dort im Predigtdienst auszuhelfen, wo weniger ZJ leben, ich habe bei Bauprojekten mitgearbeitet, habe Kinder/Jugendliche oder gar Neue im Predigtdienst geschult, habe diverse Aufgaben in den Zusammenkünfte übernommen, habe auf großen Veranstaltungen bei der Ersten Hilfe gearbeitet, habe Glaubensbrüder und Schwestern zu Hause unterstützt, wenn diese in irgendeiner Form Hilfe benötigt haben.
Das Ganze natürlich freiwillig und unentgeltlich (was aber von jungen, ledigen Menschen innerhalb dieser religiösen Organisation erwartet wird)!
Sie können sich vorstellen, dass sich mein Leben, mein Freundeskreis, meine kompletten Aktivitäten nur um ZJ drehten. Übrigens ist das bei ALLEN ZJ so, dass sich alle privaten Kontakte/Freundschaften nur noch auf ZJ beschränken.
Doch dann kam plötzlich die Wende.
Vor knapp 4 Jahren habe ich mich in den Mann verliebt, mit dem ich jetzt auch zusammenlebe und den ich 2012 geheiratet habe.
Wir lernten uns in der Klinik, in der ich Teilzeit arbeitete, ganz klassisch kennen – ich Krankenschwester, er Arzt. Allerdings ist er kein ZJ und von da an, gingen die Probleme los! Ich stand vor der Wahl: entweder ich bleibe bei dem Mann, den ich so sehr liebe oder ich bleibe eine ZJ, beides geht nicht. Ich habe mich für meinen Mann entschieden und habe mich aus der Glaubensgemeinschaft der ZJ ausschließen lassen.
Was dieser Schritt allerdings für mich bedeutete, habe ich nur in der Theorie gewusst, die Praxis lernte ich nun am eigenen Leib kennen. Wenn man die Gemeinschaft der ZJ verlässt oder von dieser Gemeinschaft ausgeschlossen wird, dann gilt die Regel: Mit diesem „Missetäter“ keinen Umgang mehr haben. Und kein Umgang bedeutet, dass man weder gegrüßt noch in irgendeiner Form mit einem eine Unterhaltung geführt wird.
Verlässt man diese Gemeinschaft gilt dies als Verrat!
Von heute auf morgen hatte ich nun alle meine Freunde verloren (im Nachhinein stellte sich für mich heraus, dass eine Freundschaft bei ZJ, eine Freundschaft auf Abruf ist).Ich werde seit diesem Tag tatsächlich nicht mehr gegrüßt, man geht mir aus dem Weg, man reagiert auf meine Briefe und Emails nicht, ich bekomme keine Anrufe. Ich bin symbolisch gestorben. Ich werde wie ein Nichts behandelt.
Das konnte ich irgendwie noch verkraften, mit der festen Unterstützung durch meinen Mann, mit dem Beistand durch meine 4 Jahre jüngere Schwester, die auch keine ZJ mehr ist und durch Beratung bei Sektenbeauftragten. Ich habe dann auch gedacht, dass sich mit der Zeit alles beruhigt und ich mit meinem neuen Lebensabschnitt, ein Leben ohne ZJ, beginnen kann.
Doch dann kam ein sehr heftiger Druck: die ZJ wollten meinen Eltern und meiner damals 12 jährigen Schwester den Kontakt zu mir verbieten.
Meine Eltern und meine jüngste Schwester sind bis dahin weiter aktive Mitglieder der ZJ gewesen und nahmen zu diesem Zeitpunkt ihren Glauben noch sehr ernst. Dieser Druck von Seiten der Gemeinde auf meine Eltern ging so weit, dass meinen Eltern mit Sanktionen gedroht wurde, Freunde meiner Eltern wurden unter Druck gesetzt, dass meine Eltern schlechter Umgang wären, weil sie weiterhin Kontakt zu ihren ausgeschlossenen Töchtern halten, meine kleine Schwester wird von Gleichaltrigen kritisiert, dass sie mit ihrer großen Schwester unterwegs ist.
Die ganze Familie wurde so schikaniert, dass sich meine Eltern kaum trauten mit ihren ausgeschlossenen Töchtern einkaufen, spazieren, Kaffee trinken oder Essen zu gehen.
In der Öffentlichkeit hatten sie Angst gesehen zu werden.
Wo genau ist da die Liebe und Freundlichkeit Gottes zu sehen?
Wo genau eifern die ZJ ihr großes Vorbild, Jesus Christus, nach?
Wo genau wird hier der Grundsatz aus dem deutschen Grundgesetzbuch der Religionsfreiheit, der Menschenwürde, der freien Meinungsäußerung, das Recht auf Individualität und Unversehrtheit angewendet?
Ich habe noch nie etwas so menschenfeindliches erlebt, dass Familien zerrüttet, unter Druck gesetzt, ausspioniert, manipuliert und denunziert werden, weil ein Mitglied der Familie nicht mehr die selbe religiöse Vorstellung teilt, wie andere Familienmitglieder.
Dies alles geschieht hier mitten in Eberbach, in einem Rechtsstaat, wo sich jeder Bürger an Rechte und Gesetze halten muss (ich spreche nicht von Afganisthan oder Iran – nein mitten in Deutschland).
Und nicht nur mit mir geschieht dies so, sondern mit vielen ehemaligen ZJ, die sich von der Gemeinschaft distanziert haben. Doch bei ZJ gibt es einen Staat im Staat und es werden Gesetze angewandt, die nicht legal sind.
Bei ZJ gibt es beispielsweise die Institution eines „Rechtskomitees“, welches sich zusammenfindet, um Missetaten von anderen ZJ aufzudecken, zu beurteilen und „Strafen“ aufzuerlegen.
Strafen können reichen von öffentlicher Bekanntgabe, dass der Missetäter eine Missetat begangen hat, dass sich dieser Missetäter nur noch eingeschränkt an den religiösen Aktivitäten beteiligen darf, bis dahin dass dieser Missetäter von der Gemeinschaft ausgeschlossen wird.
Dann ergeht es diesem Menschen genau wie allen anderen Ausgeschlossenen, sie haben weder Familie noch Freunde mehr.
Die Regeln, nach denen der Missetäter beurteilt wird, sind Regeln, die die ZJ selbst aufstellen und die „Richter“ sind oft Menschen mit niedrigem intelligenten Status, die es genießen nun endlich Ansehen, Macht und Autorität zu haben.
In Deutschland gelten für alle Bürger die allgemeinen Menschenrechte, die u. a. auch das Recht der freien Religionsausübung beinhalten. Darauf allerdings pfeifen die ZJ. Wenn du in ihren Augen eine Missetat begangen hast, dann entziehen sie dir das Recht auf deine freie Religionsausübung.
In den USA stehen zur Zeit die Verantwortlichen dieser Sekte vor Gericht, weil sie angeklagt wurden, dass sexueller Kindesmissbrauch vertuscht wurde und diese Vertuschung von der geistigen Führung auch noch gefördert wird.
Bei den ZJ weltweit gilt die 4-Augen-Regel, was heißt, dass eine Straftat erst dann als Straftat anerkannt wird, wenn mindestens 2 Zeugen diese Tat beobachtet haben und vor diesem erwähnten „Rechtskomitee“ aussagen.
Wie bitteschön, soll ein Kind/ein Jugendlicher 2 Augenzeugen für sexuellen Missbrauch anführen können?! Doch so lange diese Augenzeugen nicht genannt werden, wird still und leise gar nichts getan, bis Gras über die Sache gewachsen ist!
Es gibt zur Zeit etwa 7 Millionen Zeugen Jehovas weltweit, doch immer mehr verlassen diese Sekte und ich kann nur hoffen, dass diese Zahl immer weiter steigt. Was aus den Menschen wird, die diese Sekte verlassen, ist ungewiss.
Die Gehirnwäsche, die mehrmals wöchentlich stattfindet, ist enorm und es ist eine gewaltige Aufgabe wieder frei denken zu lernen, ohne Dogmen, ohne Angst, ohne Manipulation, ohne ein schlechtes Gewissen und ohne sich beobachtet zu fühlen!
5. - Mein früheres Leben als Zeugin.....
Kein Bild könnte folgenden Text besser betiteln.
Auf dem Weg zum Königreichssaal. Der Motor brummt. Auffordernd. Laut. Viel zu laut.
Mein Stiefvater tritt erbost ins Gaspedal. Der Motor jault herzzerreißend. Wir sind mal wieder viel zu spät dran. Donnerstagabend. Um 19.00 Uhr ist Versammlung.
Auf der Rückbank sitzen zwei Kinder. Mein Bruder schaut apathisch aus dem Fenster des Autos. In seinen Augen spiegelt sich das Leid. Wieder zwei Stunden still sitzen. Dinge hören die ein 6-jähriger nicht versteht und nicht verstehen will. Ich weiß, in Gedanken ist er schon längst wieder Zuhause. Er tüftelt gerade an einer sehr komplizierten Schienenkonstruktion für seine Playmobil-Eisenbahn. Meine Mutter hat ihn an einem Ohr davon weggezerrt, weil er sich nicht für die Zusammenkunft fertigmachen wollte. Auch ich stieg an diesem Abend nur widerwillig in meinen Rock. Im Winter war das Umziehen für die Versammlung immer besonders grausam. Wie hasste ich es mich in dicke Strumpfhose zu quälen, dann noch ein spießiger Rock drüber. Ein dicker Pullover in dem ich nachher in der Versammlung wieder gnadenlos schwitzen würde. Ich hatte meine Bibel vergessen. Ich wusste schon mit welchen Blicken ich wieder bedacht werden würde, wenn ich zwangsweise in die Bibel meines Stiefvaters gucken musste. Heute war auch schriftliche Wiederholung. Da wurde der Stoff der letzten 8 Wochen durchgenommen, anhand von Fragen, die ganz in Lehrermanie gestellt,beantwortet wurden. Ich hielt den Fetzen wie eine tote Ratte in der Hand. Darauf hatte ich mich auch nicht vorbereitet. Wie denn?
Ich hatte Schule und musste heute in gefühlt einer halben Stunde den Stoff einpauken den ich morgen für die Klassenarbeit brauchte. Ich musste schnell machen. Damit wir die Versammlung nicht verpassen. Das einzige das mir an diesem Tag eine Insel der Ruhe verschaffte, war die Musik meines Mp3-Players die in meine Ohren schallte.
"Baby boy you stay on my mind
Fulfill my fantasies
I think about you all the time
I see you in my dreams"
Quäkte Beyonce mir ins Ohr. Verbotene Musik. Sie sang darüber einen Mann zu begehren. Bestimmt einen Mann zu begehren mit dem sie nicht verheiratet war. Mir war das egal. Ich wippte im Takt zu dem orientalisch angehauchten Rhytmus. Ich muss wohl gegrinst haben. Meine Mutter dreht sich energisch um sagt mit hysterischer Stimme:
Musst du diese unchristliche Musik JETZT hören?!
Ich reagierte nicht. Tat ich nie. Meine Mutter bestarrte mich argwöhnisch vom Vordersitz aus. Ich entglitt ihr. Das merkte sie. Halb zu sich selbst sagend murmelte sie: Du und deine Summ-Summ-Musik, die macht dich dumm.
Die letzte Ampel vor dem Saal. Und ja ich wünschte mir die Strecke wäre doppelt so lang. Wir stiegen aus. Meine Eltern warfen sich noch einen letzten giftigen, von Hass geprägten Blick zu, bevor wir unsere Masken aufzogen.
Strahlend betraten wir den Saal. Und ein Strahlen erwiderte unseren Blick. Wir waren wie gesagt spät dran und drängten uns auf die letzten freien Plätze. Schnell noch ein paar halbherzige Umarmungen. Dann ging es los.
Das Klimpern der Klaviermusik ging los. Unsere Kehlen zu einem gewaltigen AAAAAAH gespannt wollte die Versammlung loskreischen. Das falsche Lied. Bruder Schmidt* hatte wieder mal das falsche Lied angemacht. Wieso durfte er immer noch die Technik bedienen? Man müsste ihn dringend durch einen jüngeren Bruder ablösen. Ich erschrak wie abschätzig ich über so eine Lappalie dachte. Dann das richtige Lied. Mein Lieblingslied. Lied 169.
"Zu jeder Zeit, wünsch ich in Ewigkeit zu wandeln frohbereit in deiner Lauterkeit"
Ich sang inbrünstig mit. Singen befreit die Seele. Stimmt. "Alle meine Entchen schwimmen auf dem See" hätts auch getan.
Dann das Gebet. Während des Gebets hob ich den Kopf und beobachtete die Menschen um mich herum. Wie sie mit zugekniffenen Augen und spastisch verrenkten Händen, Gott anbeteten. Manchmal traf mein Blick den Blick anderer Brüder die ebenfalls neugierig in der Gegend rumguckten anstatt zu beten.
AAAAAAAAAAAAMMMMMMMMMMMMEEEEEEEEEEEEEEEN!!!!
Das Brüllen des weltweit genutzten Abschlusswortes, erschütterte den Saal. Das war ein Automatismus. Meine Lippen bewegten sich automatisch. Unter Keuchen und Stöhnen schmiss ich mich auf den Stuhl. Wann war dieser verfluchte Tag endlich zu Ende?
Die letzten Backpfeifen für die Kinder wurden verteilt. Das ein oder andere schreiende Kind wurde am Schlapfittchen in den zweiten Raum gezerrt. Mein Bruder guckte ihnen hinterher, wie ein alter weiser Mann, der bereits weiß was ihnen blüht.
Bruder Müller* betritt die Bühne. Mein Lieblingsältester. Der Einzige bei dem ich mich ausweinen konnte ohne das ich verurteilt wurde. Er begann mit dem ersten Vortrag.
"Jehova immer den Vorrang geben"
Ich war müde. Verdammt. Ich will schlafen verdammt. Mein Bruder malte. Kinder dürfen malen. Damit sie ruhig sind. Oh, ich wünschte ich dürfte jetzt auch malen. Verdammt. Aber mit 16 Jahren hatte man ja Zeugen Jehovasisch erwachsen zu sein und schön zuzuhören und mitzuschreiben. Man. Ich betrachtete die Zeichnung meines Bruders. Ein Haus. Davor viele Menschen. Ich verdrehte die Augen. Ganz gehirngewaschen würde er jetzt bestimmt den Königreichssaal malen. Aufeinmal hatten die Menschen Pistolen in der Hand und durch roten Stift floss Blut aus dem gemalten Haus. Mein Vater sah das. Riss ihm das Papier aus der Hand und zerknüllte es geräuschvoll. "Schämst du dich nicht?" raunte er ihm zu "Jehova schämt sich für dich" Mein Bruder zuckte nur zusammen und zog es vor unverfängliche Motive aufs Papier zu bringen. Er wollte wohl nicht in den zweiten Raum. Ich auch nicht. Jedenfalls nicht mit meinen Eltern. Wie oft habe auch eine Ohrfeige kassiert, weil ich nicht lieb war. Weil ich nicht ruhig war. Mit diesem Szenario ging der erste Vortrag zu Ende. Ich hab nichts mitbekommen. Das war mir egal. Ich wollte einfach nur schlafen, verdammt.
Dann die Bibellesung. Ich blätterte gelangweilt in der Bibel meines Stiefvaters herum. Mein Bruder hatte es mittlerweile doch in den zweiten Raum geschafft. Ich musste das ausblenden.
Ich konnte das ausblenden.
Ein stotternder Bruder las einen Text vor den selbst mein Bruder besser gelesen hätte.
Bruder Petersen beurteilte ihn am Schluss mit Worten wie: Gute Betonung, gute Pausentechnik..bla bla....einfach nur schlecht, dachte ich.
Ich kicherte. Bruder Petersen verließ die Bühne. Verdammt, wieder nicht nicht zugehört.
Ich will schlafen.
Halb dämmernd zogen die Programmpunkte an mir vorbei. Endlich. Das letzte Lied. Endlich.
Nachdem die gesamte Versammlung ihr willenloses AAAAAAAAAAAAAAMMMMMEEEEEEEEEN gebrüllt und gekreischt hatte, ging ein erleichtertes Raunen durch die Menge. Nicht nur ich schien erleichtert zu sein, das es vorbei war. Ein Mädchen schlich sich aus dem zweiten Raum. ich wusste das sie ausgeschlossen war und ich nicht mit ihr reden durfte. Sie musste etwas schlimmes getan haben. Nein, sagte ich zu mir...ich wollte nie etwas Schlimmes tun.
Meine Eltern gingen mit angespannten Grinsen durch die Menge. Sie konnten es kaum erwarten, nachher im Auto wieder übereinander herzufallen. Ich wollte nicht nach Hause, ich wollte nicht hierbleiben. Wohin mit mir?
Ich stand abseits. Und beobachtete die Brüder, wie sie völlig überzogen grinsend, übereinander herfielen und sich mit Liebe beschütteten.
"OOOOOOOOH...MIIIIRIAAAAAAM...WIE SCHÖÖÖÖHÖÖÖN DU WIEDER AUSSIEHST!!!!" " OOOOOOOH ICH HABE HEUTE EINE BESONDERS SCHÖÖÖÖHÖÖÖÖÖNE ERFAHRUNG IM PREDIGTDIENST GEMACHT!!!!!!"
Wieso fühlte ich es nicht? Fragte ich mich, als ich endlich im Bett lag. Ich war wohl kein guter Diener für Gott ich war wohl nicht gut genug für ihn. Ich hatte seine Liebe offenbar nicht verdient.
Ich drückte mein Kissen ans Ohr. Meine Eltern keiften sich wieder im Flur an. "DU WICHSER!!!!" schreit meine Mutter. "BLÖDE KUH"...recht abgehackt klingt die Konter meines Vaters. "VERSCHWINDE!!!! STIRB ENDLICH!!!!!!" Meine Mutter.
Ich machte es wohl falsch. Jehova liebt mich nicht.
Unter Weinkrämpfen schlafe ich ein.
http://deliriousgirl.blog.de/2012/06/01/frueheres-leben-zeugin-jehovas-teil-13786143/
Auf dem Weg zum Königreichssaal. Der Motor brummt. Auffordernd. Laut. Viel zu laut.
Mein Stiefvater tritt erbost ins Gaspedal. Der Motor jault herzzerreißend. Wir sind mal wieder viel zu spät dran. Donnerstagabend. Um 19.00 Uhr ist Versammlung.
Auf der Rückbank sitzen zwei Kinder. Mein Bruder schaut apathisch aus dem Fenster des Autos. In seinen Augen spiegelt sich das Leid. Wieder zwei Stunden still sitzen. Dinge hören die ein 6-jähriger nicht versteht und nicht verstehen will. Ich weiß, in Gedanken ist er schon längst wieder Zuhause. Er tüftelt gerade an einer sehr komplizierten Schienenkonstruktion für seine Playmobil-Eisenbahn. Meine Mutter hat ihn an einem Ohr davon weggezerrt, weil er sich nicht für die Zusammenkunft fertigmachen wollte. Auch ich stieg an diesem Abend nur widerwillig in meinen Rock. Im Winter war das Umziehen für die Versammlung immer besonders grausam. Wie hasste ich es mich in dicke Strumpfhose zu quälen, dann noch ein spießiger Rock drüber. Ein dicker Pullover in dem ich nachher in der Versammlung wieder gnadenlos schwitzen würde. Ich hatte meine Bibel vergessen. Ich wusste schon mit welchen Blicken ich wieder bedacht werden würde, wenn ich zwangsweise in die Bibel meines Stiefvaters gucken musste. Heute war auch schriftliche Wiederholung. Da wurde der Stoff der letzten 8 Wochen durchgenommen, anhand von Fragen, die ganz in Lehrermanie gestellt,beantwortet wurden. Ich hielt den Fetzen wie eine tote Ratte in der Hand. Darauf hatte ich mich auch nicht vorbereitet. Wie denn?
Ich hatte Schule und musste heute in gefühlt einer halben Stunde den Stoff einpauken den ich morgen für die Klassenarbeit brauchte. Ich musste schnell machen. Damit wir die Versammlung nicht verpassen. Das einzige das mir an diesem Tag eine Insel der Ruhe verschaffte, war die Musik meines Mp3-Players die in meine Ohren schallte.
"Baby boy you stay on my mind
Fulfill my fantasies
I think about you all the time
I see you in my dreams"
Quäkte Beyonce mir ins Ohr. Verbotene Musik. Sie sang darüber einen Mann zu begehren. Bestimmt einen Mann zu begehren mit dem sie nicht verheiratet war. Mir war das egal. Ich wippte im Takt zu dem orientalisch angehauchten Rhytmus. Ich muss wohl gegrinst haben. Meine Mutter dreht sich energisch um sagt mit hysterischer Stimme:
Musst du diese unchristliche Musik JETZT hören?!
Ich reagierte nicht. Tat ich nie. Meine Mutter bestarrte mich argwöhnisch vom Vordersitz aus. Ich entglitt ihr. Das merkte sie. Halb zu sich selbst sagend murmelte sie: Du und deine Summ-Summ-Musik, die macht dich dumm.
Die letzte Ampel vor dem Saal. Und ja ich wünschte mir die Strecke wäre doppelt so lang. Wir stiegen aus. Meine Eltern warfen sich noch einen letzten giftigen, von Hass geprägten Blick zu, bevor wir unsere Masken aufzogen.
Strahlend betraten wir den Saal. Und ein Strahlen erwiderte unseren Blick. Wir waren wie gesagt spät dran und drängten uns auf die letzten freien Plätze. Schnell noch ein paar halbherzige Umarmungen. Dann ging es los.
Das Klimpern der Klaviermusik ging los. Unsere Kehlen zu einem gewaltigen AAAAAAH gespannt wollte die Versammlung loskreischen. Das falsche Lied. Bruder Schmidt* hatte wieder mal das falsche Lied angemacht. Wieso durfte er immer noch die Technik bedienen? Man müsste ihn dringend durch einen jüngeren Bruder ablösen. Ich erschrak wie abschätzig ich über so eine Lappalie dachte. Dann das richtige Lied. Mein Lieblingslied. Lied 169.
"Zu jeder Zeit, wünsch ich in Ewigkeit zu wandeln frohbereit in deiner Lauterkeit"
Ich sang inbrünstig mit. Singen befreit die Seele. Stimmt. "Alle meine Entchen schwimmen auf dem See" hätts auch getan.
Dann das Gebet. Während des Gebets hob ich den Kopf und beobachtete die Menschen um mich herum. Wie sie mit zugekniffenen Augen und spastisch verrenkten Händen, Gott anbeteten. Manchmal traf mein Blick den Blick anderer Brüder die ebenfalls neugierig in der Gegend rumguckten anstatt zu beten.
AAAAAAAAAAAAMMMMMMMMMMMMEEEEEEEEEEEEEEEN!!!!
Das Brüllen des weltweit genutzten Abschlusswortes, erschütterte den Saal. Das war ein Automatismus. Meine Lippen bewegten sich automatisch. Unter Keuchen und Stöhnen schmiss ich mich auf den Stuhl. Wann war dieser verfluchte Tag endlich zu Ende?
Die letzten Backpfeifen für die Kinder wurden verteilt. Das ein oder andere schreiende Kind wurde am Schlapfittchen in den zweiten Raum gezerrt. Mein Bruder guckte ihnen hinterher, wie ein alter weiser Mann, der bereits weiß was ihnen blüht.
Bruder Müller* betritt die Bühne. Mein Lieblingsältester. Der Einzige bei dem ich mich ausweinen konnte ohne das ich verurteilt wurde. Er begann mit dem ersten Vortrag.
"Jehova immer den Vorrang geben"
Ich war müde. Verdammt. Ich will schlafen verdammt. Mein Bruder malte. Kinder dürfen malen. Damit sie ruhig sind. Oh, ich wünschte ich dürfte jetzt auch malen. Verdammt. Aber mit 16 Jahren hatte man ja Zeugen Jehovasisch erwachsen zu sein und schön zuzuhören und mitzuschreiben. Man. Ich betrachtete die Zeichnung meines Bruders. Ein Haus. Davor viele Menschen. Ich verdrehte die Augen. Ganz gehirngewaschen würde er jetzt bestimmt den Königreichssaal malen. Aufeinmal hatten die Menschen Pistolen in der Hand und durch roten Stift floss Blut aus dem gemalten Haus. Mein Vater sah das. Riss ihm das Papier aus der Hand und zerknüllte es geräuschvoll. "Schämst du dich nicht?" raunte er ihm zu "Jehova schämt sich für dich" Mein Bruder zuckte nur zusammen und zog es vor unverfängliche Motive aufs Papier zu bringen. Er wollte wohl nicht in den zweiten Raum. Ich auch nicht. Jedenfalls nicht mit meinen Eltern. Wie oft habe auch eine Ohrfeige kassiert, weil ich nicht lieb war. Weil ich nicht ruhig war. Mit diesem Szenario ging der erste Vortrag zu Ende. Ich hab nichts mitbekommen. Das war mir egal. Ich wollte einfach nur schlafen, verdammt.
Dann die Bibellesung. Ich blätterte gelangweilt in der Bibel meines Stiefvaters herum. Mein Bruder hatte es mittlerweile doch in den zweiten Raum geschafft. Ich musste das ausblenden.
Ich konnte das ausblenden.
Ein stotternder Bruder las einen Text vor den selbst mein Bruder besser gelesen hätte.
Bruder Petersen beurteilte ihn am Schluss mit Worten wie: Gute Betonung, gute Pausentechnik..bla bla....einfach nur schlecht, dachte ich.
Ich kicherte. Bruder Petersen verließ die Bühne. Verdammt, wieder nicht nicht zugehört.
Ich will schlafen.
Halb dämmernd zogen die Programmpunkte an mir vorbei. Endlich. Das letzte Lied. Endlich.
Nachdem die gesamte Versammlung ihr willenloses AAAAAAAAAAAAAAMMMMMEEEEEEEEEN gebrüllt und gekreischt hatte, ging ein erleichtertes Raunen durch die Menge. Nicht nur ich schien erleichtert zu sein, das es vorbei war. Ein Mädchen schlich sich aus dem zweiten Raum. ich wusste das sie ausgeschlossen war und ich nicht mit ihr reden durfte. Sie musste etwas schlimmes getan haben. Nein, sagte ich zu mir...ich wollte nie etwas Schlimmes tun.
Meine Eltern gingen mit angespannten Grinsen durch die Menge. Sie konnten es kaum erwarten, nachher im Auto wieder übereinander herzufallen. Ich wollte nicht nach Hause, ich wollte nicht hierbleiben. Wohin mit mir?
Ich stand abseits. Und beobachtete die Brüder, wie sie völlig überzogen grinsend, übereinander herfielen und sich mit Liebe beschütteten.
"OOOOOOOOH...MIIIIRIAAAAAAM...WIE SCHÖÖÖÖHÖÖÖN DU WIEDER AUSSIEHST!!!!" " OOOOOOOH ICH HABE HEUTE EINE BESONDERS SCHÖÖÖÖHÖÖÖÖÖNE ERFAHRUNG IM PREDIGTDIENST GEMACHT!!!!!!"
Wieso fühlte ich es nicht? Fragte ich mich, als ich endlich im Bett lag. Ich war wohl kein guter Diener für Gott ich war wohl nicht gut genug für ihn. Ich hatte seine Liebe offenbar nicht verdient.
Ich drückte mein Kissen ans Ohr. Meine Eltern keiften sich wieder im Flur an. "DU WICHSER!!!!" schreit meine Mutter. "BLÖDE KUH"...recht abgehackt klingt die Konter meines Vaters. "VERSCHWINDE!!!! STIRB ENDLICH!!!!!!" Meine Mutter.
Ich machte es wohl falsch. Jehova liebt mich nicht.
Unter Weinkrämpfen schlafe ich ein.
http://deliriousgirl.blog.de/2012/06/01/frueheres-leben-zeugin-jehovas-teil-13786143/
4. - Wie mein altes Leben endete....
Mein Weg in die Freiheit?
Teil 1
- Es ist 3:26 Uhr. Eine Zeit die so nachts und doch so Tag ist. Die Bäcker backen ihre Brötchen, die Menschen können morgens ihre frischen Brötchen genießen.
Was treibt mich dazu um diese Uhrzeit einen Blogeintrag zu verfassen, der doch so anders wird als die bisherigen Einträge?
Ich habe viel darüber nachgedacht, ob ich dieses Thema hier zur Sprache bringen sollte. Oft schrieb ich Zeilen die mir so sehr am Herzen lagen und doch löschte ich sie erneut, erneut und erneut. Ist dies ein Blog in dem ich die Oberflächlichkeit des Seins beschreiben soll? Hier und da witzige Erlebnisse? All das was ein 20-jähriges Mädchen beschäftigt? Liebe, Arbeit, ihre Freunde und die Unarten des Lebens? Wo ist die nächste Party? Haben wir die Fotos auf Facebook veröffentlicht?
Ist dies mein Leben? Nein, das ist nicht mein Leben. Ich habe ein anderes Leben gelebt. Ein Leben das man nur verstehen kann, wenn man in dieser Welt lebt. Eine Welt voller naiver Freude und doch großer Drangsal und Leid. Eine Welt in der du mit gebeugter Haltung auf das Ende deines Lebens gewartet. Draußen heult der Sturm. Ich fürchte mich und hoffe das Gott mir dies verzeiht. Ich hoffe es so sehr. Ich hoffe er sieht das ich nichts Böses plane, das ich einfach nicht weiß wohin mit meinen Gedanken. Jeder kann meinen Blog lesen und man könnte fragen: Warum schützt sie ihr Innerstes nicht? ich habe es geschützt, doch es sitzt wie eine Bombe in einem eisernen Panzer...und ich werde innerlich explodieren.
Wie es begann
Ich bin geboren worden als eine Zeugin Jehovas. Meine Mutter lernte die sogenannte "Wahrheit" kennen als ich zwei Jahre alt war. Ich bin aufgewachsen in einer geschützten Gemeinde von lieben Menschen die mir alle als freundlich lächelnde Gestalten in Erinnerung geblieben sind.
Ich war ein Kind und habe mir über das was ich glauben "sollte" nie Gedanken gemacht. Es war so. Seit meinem 7. Lebensjahr ging ich an die Türen um fremden Menschen von meinem Glauben zu erzählen. Die Menschen waren meistens nett. Wer schreit schon ein kleines Mädchen an, wenn es einem lächelnd einen Flyer hinhält. Ab und zu bekam ich Bonbons von den Menschen. Und so fing ich an gerne in den Predigtdienst zu gehen, nichtsahnend wohin das noch führen sollte.
Älterwerden
Um so älter ich wurde um so mehr stieg der Druck. Bei den Zeugen hat man die Möglichkeit aufzusteigen und Karriere zu machen wie in einem Betrieb. Den Jugendlichen wurde eingeflößt das es nichts erstrebenswerteres gibt, als eine "geistige" Karriere zu starten und allen "weltlichen" Gütern zu entsagen. Der erste Schritt hieß sich taufen zu lassen. Dazu sei gesagt, das Zeugen Jehovas keine Kindertaufe durchführen. Jeder trifft die Entscheidung selbst ein Zeuge Jehovas zu sein und sich als solcher hinzugeben. Nur, wenn dein gesamtes Umfeld aus Zeugen Jehovas besteht, deine Freunde sind es, deine Eltern sind es. Wo liegt deine eigenständige Entscheidung? Als gutes Zeugenkind hatte man das zu tun und es wurde indirekt von einem erwartet es zu tun. Ich ließ mir etwas länger Zeit als die anderen. (Meine ehemalige Freundin ließ sich beispielsweise mit 11 Jahren taufen) Und als Fast-Spätzünder ließ ich mich mit 16 Jahren taufen. Ich dachte wirklich dies wäre mein Lebensweg. Ich ging mit wirklich reinen Beweggründen in dieses Bündnis. Doch dann wurde der Druck immer härter. Nun wurde von mir erwartet das ich mehr in den Predigtdienst gehe.
Das Predigtwerk der Zeugen ist straff organisiert und es wird knallhart nach Stunden abgerechnet die man dann auf einen Zettel zu notieren hatte und einem "Ältesten" überreicht. Die Stunden werden dann statistisch erfasst und die Zentrale in Selters weitergeleitet. Diese leiten die Deutschlandweit gesammelten Stunden an die Weltzentrale in Brooklyn (New York) weiter, die dann weltweite Jahresberichte herausbringt.
Ich war komplett in diese Welt eingebunden. Daher kann ich auch sagen, das es natürlich viele Lügen über Zeugen Jehovas gibt. Beispielsweise müssen Zeugen Jehovas NICHT Teile ihres Gehaltes abgeben. Aber wer sich über Ansichten usw. informieren möchte der findet ziemlich umfassende Berichte im Internet.
Wie der werte Leser sicherlich merkt, bin ich KEIN Zeuge Jehovas mehr. Ich wurde in einem ziemlich unfairen und grausamen Prozess ausgeschlossen. Ausgeschlossen. Das bedeutet, das all deine Freunde KEIN Wort mehr mit dir reden dürfen. Kein Kontakt, kein gar nichts. Blöd, wenn 95% meines Freundeskreises aus ihnen bestanden.
Seit ich ausgeschlossen bin, denke ich viel über mein Leben nach und langsam rehabilitiere mich. Es ist komisch, wenn du dein Facebookkonto, mit deinen alten Freunden, komplett löschst. Es ist als würdest du ein Leben löschen, dich selbst und das was du dachtest das du warst. Seit dem frage ich mich oft wer ich bin. Und wohin ich gehöre.
Ich habe mich bei den Zeugen Jehovas immer fehl am Platz gefühlt. Meine Freunde opferten ihre Freizeit, ihre Freunde, alles um so viele Stunden wie möglich predigen zu gehen. Ich dagegen verspürte nie die Motivation zu Fremden zu gehen und ihnen etwas über meine Glaubensansichten aufzuzwingen. Ich verspürte nie das Bedürfnis ins Ausland zu gehen um Ureinwohnern von meinem Glauben erzählen. Ich wollte nicht mit 18 irgendeinen Deppen heiraten um Sexuelle Erfahrung zu sammeln. Ich wollte leben, atmen, lachen, lesen und einfach mal, einfach mal unbeschwert sein. Ich werde nie unbeschwert sein. Den Gott den ich kennengelernt habe, der wollte anscheinend, das ich Tag für Tag mir über das Ende der Welt Gedanken mache. Immer in dem Erwarten leben, das alles den Bach runtergeht. Immer sich selbst in Zweifel ziehen. Denn es hieß stets: Du glaubst das Gott dich liebt? Wer weiß ob er dies tut? Vieleicht sündigst du so schlimm, das er dies nicht tut. Alles Gute das du von der Welt bekommst ist vom Teufel. Alles, alles ist schlecht und widerlich.
Im Moment lese ich Siddartha von Hermann Hesse (ein wunderbares Buch). Dort wird beschrieben, das das Entsagen von schönen Dingen, von Lust und Heiterkeit nicht zur inneren Erfüllung dient, sondern nur zur Betäubung des eigentlichen Ichs führt. Dein Ich wird letztlich immer wieder auf dich zurückkommen. Egal wie sehr du entsagst. Es verschlimmert die Symptome.
Dieses ist auch mir passiert. Ich begann mich für völlig natürliche Dinge zu schämen. Ich schämte mich für den Drang einen Partner zu haben, für meinen Drang nach Sexualität. Ich verbrachte den Tag damit mich für meinen Körper zu schämen. Denn es hieß: Kämpfe gegen dich an. Ich frage mich: Wenn Gott uns unsere Charakterzüge gegeben hat, wieso verlangt er das wir gegen uns selbst kämpfen? Das wir uns selbst hassen und uns letztlich schämen für das, was wir sind?
Etwas das mich noch störte, war das uralte System der Geschlechterrollen die bei den Zeugen Jehovas gang und gäbe ist. Die Frau ist so gut wie nichts wert. Während Männer die Möglichkeit bekamen Vorrechte zu erhalten, Vorträge zu halten, zu Ältesten geschult zu werden, ins Ausland zu gehen...die Liste ist einfach schier unendlich. Während wir Frauen in den Predigtdienst gehen "durften", und ich letztlich mit meinen Freundinnen auf der Stange gluckte und warten durfte das sich irgendeine Flachpfeife meiner erbarmt und mich zur Frau nimmt. Ich wusste innerlich das es meinen Untergang besiegeln würde, wenn ich JETZT heiraten würde. Ich beneidete die jungen Pärchen die einfach nur "zusammen" waren ohne Sorgen und ihr Verliebtsein genießen konnten. Paare wurden prinzipiell nach zwei Jahren Beziehung zum Gespräch gebeten um zu ergründen warum selbiges noch nicht verheiratet war.
Dieses System der Kontrolle durch Menschen, vor denen du DEIN handeln rechtfertigen musstest, wenn es auf der anderen Seite hieß das der einzige vor dem man sich rechtfertigen muss, Gott ist, ließ mich stutzig werden.
Ich begann ziemlich zynisch zu werden. Und mir so meine Gedanken zu machen. Ich betrachtete meine Freunde voller Argwohn wenn mal wieder diskutiert wurde wessen Rock 2 cm zu kurz geraten war. Meine Zuneigung zu diesen Menschen ließ immer mehr nach, ich kapselte mich ab. Bis mich eine "gute Freundin" fragte was los sei. Und ich vertraute ihr meinen Kummer an, in der Hoffnung auf Verständnis zu treffen. Daraufhin wurde ich fertiggemacht und mir gesagt, ich solle mich gefälligst zusammenreißen weil X und Y sich auch zusammenreißen und wahrscheinlich als alte Jungfern enden werden. Da regte sich mein Widerwillen. Ich spürte schon da, das ich als Individuum nichts gelte. Das meine Gefühle nichts galten. Ich hatte mich zusammenzureißen. So wie alle dies taten. Meine Mutter schlug mich als ich ihr erzählte, das ich für einen Jungen aus der Klasse schwärmte. Und sie sagte mir: Ich hoffe es wird sich niemals jemand für dich interessieren. Jede Kleinigkeit die ketzerisches Verhalten offenbarte wurde den Ältesten gepetzt, und so saß ich oft da und musste mich irgendwelchen Verhören stellen.
Irgendwann hatte ich nur noch eine Maske auf. Leute die meine Fotos von "früher" betrachten, sagen mir ich hätte glücklicher ausgesehen. Nein, meine Maske war glücklich. In Wirklichkeit sah ich mein Leben so vorgezeichnet und meine Zukunft grau in grau. Nur unser lieber Jehova möchte nicht das Zeugen Jehovas unglücklich sind. Er möchte das sie fröhlich sind und lachen. Und verdammt noch mal GERNE predigen gehen und sich GERNE aufgeben, sich GERNE hassen und GERNE leiden. Und wenn du es NICHT GERNE machst, dann ist dein Glaube nur Farce. Und sie müssen lachen, damit ja keiner auf die Idee kommen könnte das irgendwas nicht stimmt.
Ich setzte meine Maske ab, als ich am 22. August letzten Jahres ausgeschlossen wurde. Weil ich mich einem Mann hingegeben hatte. Ich wurde vor ein Inqisitions-ähnliches Gericht von 3 Männern gestellt, die mich ausfragten. Die meine "Zeugen-Aussagen" notierten und auswerteten. Die mich peinlich befragten.
"Welche Sexualpraktik habt ihr verwendet?"
"Habt ihr euch geküsst?"
"Mit Zunge?"
"Wie lange?"
Am Ende wurde mir eine Bibelstelle vorgelesen in der stand:
"Und ich werde keinen Umgang mit Hurern und Mördern haben"
"Wir werden dir im Namen der Versammlung XY die Gemeinschaft entziehen"
Da platzte ich. Ich stand auf, ging zur Tür, drehte mich um sagte mit stolzem Blick:
Ich werde niemals eine Zeugin Jehovas sein.
Das wars. Ich ging und kehrte nicht wieder. Langsam kämpfe ich mich zurück ins Leben. Ich habe meine liebste Freundin Franzi, die mir in allen Zeiten beistand und beistehen wird. Ich habe einen lieben anständigen Freund gefunden und endlich finde ich Zeit mich selbst zu entdecken und nicht irgendwelchen toten Propheten zu folgen.
Ich verurteile niemanden der sich entscheidet ein Zeuge Jehovas zu sein. Denn bei all der Häme, sie gehen ihren Weg und sie haben meine Hochachtung für all die Strapazen die sie für ihren Glauben auf sich nehmen. Ich kämpfe immernoch mit dem Versagensgefühl es nicht geschafft zu haben. Doch ich möchte gerne MEIN Leben führen und nicht in einem gleichgeschalteten Kollektiv leben. Ich, Chantal möchte geliebt sein. Und zwar nur für Chantal und nicht für "Zeugen Jehovas - Chantal". Es wird immer ein Teil meines Lebens sein. Dies zu akzeptieren, bringt mir ein ruhiges Gefühl. Doch es ist noch ein weiter Weg.
http://deliriousgirl.blog.de/2012/11/29/title-15259171/
3. - Nur Chantal und endlich Ich.....
Chantal, 21 Jahre. Nur Chantal und endlich Ich. In diesem Blog geht es darum wie ich es geschafft habe mich von den Zeugen Jehovas zu lösen. Und Stück für Stück mein eigenes Ich zu entdecken. Meine Individualität zu lieben. Und meine Gedanken endlich frei auf mein Selbst wirken zu lassen. Ohne Schuldgefühle. Ohne Indoktrination. Ohne Kompromisse. Denn für mich ist nur Danach wichtig. Danach. Das ist kein Hetz-Blog. Es ist ein Sammelsurium von Geschichten. Ich arbeite Früher auf. Vor allem aber Heute. Jeder Eintrag bringt mich näher an mein Ziel endlich Frei und Unabhängig denken zu können. Denn das sollten wir alle.
http://deliriousgirl.blog.de
2. - "Ich liebe es Kuchen zu backen, und übrigens ich bin eine Zeugin Jehovas"
Dieser Satz ließ mich schlagartig aufschrecken, als ich wie immer, depressiv in der Krisenintervention rumhing. Mein Käppi schräg auf den Kopf und die Fluppe locker zwischen meinen Zähnen. Aus der Küche drang dieses unnatürliche, aufdringliche Gelächter das ich doch irgendwo her kannte. Als ich mich unauffällig in die Tür stellte um zu sehen welcher Geist meiner Vergangenheit mich da heimgesucht hatte, sah ich sie. Jehova-Mädchen. Fast liebevoll machte sich dieser Gedanke in meinem Kopf breit. Ein bebrilltes, braunäugiges Mauerblümchen stand dort in der Küche und erzählte mit dieser herrlichen Impulsivität von ihrem Glauben, von ihren Vorstellungen und diese glänzende, reine Naivität blitze in ihren Augen als sie vom Paradies erzählte. Und die mich für einen kurzen Augenblick an ihren Lippen hängen ließen. Doch der Ort bzw. der Umstand das sie sich in einer Kriseneinrichtung befand, machte mich stutzig. War sie etwa nicht glücklich? Ich fühlte Wut aufkeimen und schon wieder machte sich Hass und Unbehagen in meinem Herzen breit. Das ihre Freunde, Zeugen Jehovas, sie in der Klinik besuchten gab mir den letzten Stoß.
Wie oft stand ich draußen und hing dem Tagtraum nach ein bekanntes Gesicht könnte sich jetzt auf den Weg ins Krankenhaus machen um mir zu sagen, das es mich liebt. Das ich vermisst werde. Als wir abends im Gruppenraum saßen und ich ihre Geschichte hörte, die traurig war und doch von Zuversicht und Hoffnung sprach perlten meine Tränen an der Innenseite meiner Wangen entlang. Und auch ihre Maske war unverrückt und versteinert als sie von ihren dissoziativen Zuständen sprach. Ich sah sie und sah mich. Als ich mir jede Art von Trauer und Unwohlsein verschwieg und verdrängte. Ich beschloss das gespräch zu suchen. Ich verschwieg ihr das ich offziell kein Mitglied mehr war. Erzählte ihr von meiner Kindheit und wie ich mit diesem Glauben fühlte. Als sie mich in ihre warmen Arme schloss, wollte ich weinen. Nach so langer Zeit sollte mir mein Agressor Liebe zeigen, das Verständnis das ich so lange suchte und begehrte. Doch an mir nagte das sie nicht die Wahrheit wusste. Ich sprach mit meinen Therapeuten drüber. "Frau Alten, das ist ihre Chance! Nutzen Sie sie!" Konfrontation also.
Es war quälend morgens in den Arm genommen zu werden. Sie sprach mit mir als wäre ich ein Mensch und kein von Boshaftigkeit durchtriebenes Ding, das es sich zum Ziel auserkoren hat Menschen von ihrem Glauben abzubringen. Also setzte ich mich abends zu ihr, nahm ihre Hand und sagte etwas das dem einen oder anderen Leser ziemlich dumm erscheinen wird. Ich sah sie an und fragte: Beantworte mir eine elementare Frage. Bist du glücklich? Für zwei Sekunden entglitt ihre Maske und ich sah das Mädchen das sich sorgfältig dahinter verborgen hatte. "Ja." Der Wachtturmroboter hatte gesprochen und ich ärgerte mich über meine dumme Frage, denn damals hätte ich nichts anderes geantwortet. "Aber es war nicht immer so, ich bin zwei Jahre nicht in die Versammlung gegangen und habe wohl alles gemacht was man in der Welt so machen kann." Ich musste leicht schmunzeln, sie erwiderte und sagte: Naja, außer mit einem mann zu schlafen. Wir mussten beide lachen. Und schon wieder sagte ich etwas das meinem werten Leser wohl sehr dumm erscheinen muss: "Ich habe eines gelernt im Leben. Egal welchen Weg du gehst, beide sind schwer. Satan behängt dich nicht Gold und Rubinen wenn du draußen bist. Dir passiert genauso viel Glück und Unglück wie es dir als Zeuge Jehovas geschieht, nur das du verrückt wirst über die Frage weshalb es dir geschieht, während man als Zeuge ein einfaches Schema hat, mit dem man es erklären kann." Das Jehova-Mädchen schaute mich nachdenklich an. "Das stimmt." Eine einfache Bestätigung. Doch ihr Blick wirkte gequält und ich wollte ihr das nicht antun. "Gute Nacht." "Gute nacht....ich hab dich lieb" Ihre Worte. Und sie brannten in meinem Herzen als ich mich in das quietschende Krankenhaus bettete.
Am nächsten Abend spielte ich mit meinen jungen Mitpatienten ein Brettspiel. Typisch adoleszent. Vulgäre und zweideutige Sprüche wurden über den Tisch geworfen wie ein Ping-Pong-Ball. Und ich fühlte mich wohl. Merkwürdig. Ich fühlte mich wie ein DJ der mit zwei Händen, zwei verschiedene Turntables hin und her bewegte. Da gab es die weltliche Chantal, die flirtet, modebewusst ist, gerne feiern geht, von Sex spricht und über schmutzige Witze lacht. Und da gab es Chantal. Ein Jehova-Mädchen, das nachts allein zu Gott sprach um Vergebung winselte, neidvoll auf andere Zeugen Jehovas schaute, sich nach Spiritualität sehnte und abends in der Bibel las.
Aus den Augenwinkeln beobachtete ich sie. Wie sie still in ihrer Ecke las und bei dem einen oder anderen versauten Witz verstohlen mitgrinste. Doch sie machte keinerlei Anstalten sich uns zu nähern. Natürlich. Wir waren auch wirklich kein guter Umgang aus ihrer Sicht. Und ich sah wieder mich. Wie ich mich selbst zum Außenseiter machte, gefallen und doch anders sein wollte. Und schon wieder suchte ich ihre Nähe. Die anderen schauten mich dumm an. "Was willt du denn immer von der??" sagte Becci,meine Bettnachbarin, etwas zickig. Man sah ihre Piercing Male, ihre an den Seiten ausrasierte wilddurchblondierten Haare. Sie schaute immer etwas grimmig doch war sie ein liebes, warmherziges Mädchen. "Punk!!!" bellte einer der Jungs. "Nein! Emo!" sagte ein anderer. Und es war ein befreiendes Gefühl Menschen nicht mehr nach ihrem Äußeren beurteilen zu müssen. "Ich geh nur auf die Toilette," log ich. Und huschte hinter diesem zweispältigen Mädchen hinterher. "Darf ich bei dir sitzen?" wie ein kleines Kind suchte ich Nähe. "Klar, was hast du denn?" "Gar nix, ich will einfach neben dir sitzen"...sie breitete ihre Arme aus und ich stürtzte mich hinein, wie ein verlorenes Kind. So saßen wir und während sie meinen Kopf streichelte, brach es aus mir heraus. Und meine Tränen benetzten ihre hochgeschlossene Bluse. Klugerweise kommentierte sie mein Weinen nicht. Es hätte alles zerstört und die Worte die so bleiern in meinem Herzen hingen flossen in Form von Tränen aus mir heraus. Endlich. Nach eineinhalb Jahren gespielter Coolness, war sie wieder da. Als die Krankenschwester ins Zimmer kam, sah sie zwei Jehova-Mädchen die sich weinend in Armen lagen. Für diesen Abend war ich wieder eine Zeugin Jehovas. Ich zeigte auf ihre Studienbibel die auf ihrem Nachttisch lag. "Liest du mir was daraus vor?" Und sie las. Und ich hing an ihren Lippen und saugte jedes Wort aus ihrem Mund auf. Es war magisch, als sie die Bibel zuklappte und sagte: Jehova wird sich sicher etwas dabei gedacht haben." Und ja. Ich wollte glauben, ich wollte einer Illusion lauschen, die die Welt so schön machte und viel weniger kompliziert als sie in Wirklichkeit war.
Doch riss ich mich selbst heraus, denn in mir dämmerte die alte Angst. Die Angst vor Unvollkommenheit und Harmageddon, vor den Ältesten, vor diesem unheimlich anmutenden System, das sich vor Gott stellte, wie eine undurchdringliche Mauer. Als ich aufstand fiel meine Zigarettenschachtel auf den Boden. Das Jehova-Mädchen bückte sich und gab sie mir wortlos. Und ja ich schämte mich. Ich schämte mich vor ihr. Für meinen stillosen Lebenswandel und für jedes Gramm Mariuhana das konsumiert hatte. Ich schämte mich für meine vulgäre Art über Sex reden, für alles. Ich war eine Weltliche. Und sie war alles was ich 20 Jahre lang sein wollte. Sie sah mein Unbehagen und schloss mich erneut in ihre Arme, doch die Scham verhinderte das ich diese lange zuließ. Halb von mir wegstoßend verabschiedete ich mich für diese Nacht.
Am nächsten Abend, der Abend bevor sie entlassen wurde, drückte sie mir ein Paket in die Hand. Und darin war was ich vermutet hatte. Berge von Literatur und eine Bibel. Und einen Brief. Den ich aufheben werde bis an mein motherfucking Totenbett. Liebevoll schrieb sie, das sie weiß wie ich mich fühle und das ich in ihren Augen immer noch eine Schwester sei. das brach mein Herz vollends. Ich nahm die Bibel und schleuderte sie an die Wand. Und dieser leise, erstickte Schrei den ich seit dem 18. März 2012 (der Tag an dem ich zum ersten Mal ins Krankenhaus kam)nicht mehr hörte, rang sich erneut meine Kehle hoch. Und ich heulte. Nicht dieses sexy Heulen. Wo die Augen verschmiert sind und ein stilles Naserümpfen das Höchste der Gefühle sind. Ich heulte in 10 Oktaven. Und trat gegen die Nachtschränke. Ich nahm die Bibel und warf sie erneut, erneut, erneut und erneut. Ich nenne es Seelenheulen. Wenn dein Unterbewusstsein weint. Wenn ich so weine, dann weine nicht ich, sondern etwas anderes, tief in mir verborgenes. Das ich nicht kenne und nicht kennen will. Taschi, meine andere Bettnachbarin stürmte ins Zimmer und hielt mich an den Schulter fest. Und endlich konnte ich Worte finden. "Weiißt du eigentlich, das es die anderen sein sollten, die mir so einen Brief schreiben!!!!" Meine Stimme klang wie die eines pubertierenden Jungen. Immer noch 10 Oktaven. "Warum sie!!!!!" Taschi schaute mich leicht erschrocken an. "Soll ich die Nachtschwester holen?" "Neeeein!!!! Warum sie!!! Sie kennt mich nicht und ist so lieb zu mir!!!!" Taschi sah die Lektüre auf dem Bett liegen. Sie nahm einen der Wachttümer und zerrte mich vor die Tür.
Die kalte Luft tat gut während sich der Wachtturm in flackerndes Licht auflöste. Und kein Blitz traf uns als wir den Wachtturm verbrannten. Als ob ein Albtraum verbrennt. Wir löschten den Brand mit dem letzten Schnee. "Besser?" Taschi hielt mich im Arm. "Besser". Erschöpft fiel ich in den Schlaf und träumte wie ich in einem warmen Magmasee schwimme. Der sich wie Pudding anfühlte während um mich herum Leute starben und qualvoll verbrannten , während ich unversehrt blieb.
Am Tag ihrer Entlassung kam ich in ihr Zimmer. Und sagte ihr das ich ausgeschlossen bin. Jetzt würde sich zeigen was hinter der Fassade aus Freundlichkeit und Liebe versteckte. Immerhin hatte ich sie bewusst angelogen um in ihrer Nähe sein zu können. Sie starrte mich an stand wortlos auf und im Glauben das sie den Raum nun verlassen würde drehte ich mich zum Fenster. Doch sie nahm meine Hand und nahm ich in den Arm. "Ich stand auch kurz davor", flüsterte sie in mein Ohr, "aber die Ältesten waren anscheinend zu blöd dafür" "Was hast du ausgefressen?" "Vier Jahre Pornographie" Ich stand da wie vom Donner gerührt. Dieses Mädchen, mit ihrer keuschen Bluse, ihrem Strickjäckchen und ihrer Brille soll sich nachts in ihrer Sexualität vergraben haben? So wie ich? Ein Film nach dem andern. Heimlich, reuelos und dann nach erlebtem Orgasmus reuevoll weinend? "Tja. Das hast du bestimmt nicht erwartet?" "Ähm...ja...ich bin echt überrascht," stotterte ich. "Ruf mich an. Bitte." Ihr Blick war leicht kühl, irgendwie schien sie vor meiner merkwürdigen, Liebe-und Hasszerissenen Art zu kapitulieren. "Du weißt das ich das nicht mache. Ich wil dich nicht in Schwierigkeiten bringen." "Ruf mich einfach an. Ob ich rangehe oder nicht kannst du meinem Gewissen überlassen" Wir umarmten uns. Und ich wusste das wir uns nie wieder sehen werden. Sie wusste es und ich sah es in ihrem Blick. Doch sah ich weder Hass oder Entsetzen in ihrem Blick. Wir umarmten uns erneut. "Pass auf dich auf", flüsterte ich in ihr Ohr. "Du auch".....Sie entschwand.
Aus meinem Leben. Und doch werde ich diese merkwürdige Begegnung nie vergessen. Und sie bestimmt auch nicht.
Als ihre Freunde sie in ihre Arme schlossen, war sie wieder völlig in ihrem Element und hätte man nicht gewusst das sie aus einer Krisenstation abgeholt wurde, hätte man ihr nie angesehen das es auch nur ansatzweise ein Problem gab. Ich tippte mein Käppi an. Ein letzter Gruß. Ein letztes Lächeln.
Machs gut.
Jehova-Mädchen.
http://deliriousgirl.blog.de/tags/zeugen-jehovas/
1. - Es ist schon eine Zeit lang her, daß ich Zeuge Jehovas war. Aber:
Von "bieromane"
Es ist schon eine Zeit lang her, daß ich Zeuge Jehovas war. Aber:
In den Zusammenkünften wird gepredigt, daß es wichtig ist, die Tür für Rückbesuche offen zu halten. Also nicht alles auf einmal sondern scheibchenweise in vielen Besuchen. Eine typische Reaktion von Zeugen wäre ja wenn sie antworten "Dann lass ich ihnen eine Zeitschrift da, und komme ein anderes mal wieder" So wird es in den Zusammenkünften gelehrt.
Andererseits wollen sie Ansehen in der Versammlung, und das geht nur mit Bibelstudium, und mit viel Predigtdienstzeit. Wenn du am Land wohnst, und noch dazu am Ende der Gebietskarte, dann ist hier ein Problem, weil die Zeugen sind auch Müde. Sie wollen ihr Stundenziel erreichen. Dazu fehlt noch eine halbe Stunde. Der nächste Rückbesuch ist 20 Minuten zu Fuß entfernt. So weit wollen sie nicht gehen. Also labern sie dich voll. Andere sind so brainwased, daß sie die ganze Sache selbst glauben. Wenn die einen Wachtturm aus dem Jahr 1974 in die Hand bekommen, dann glauben sie, daß harmageddon wirklich 1975 War, und wollen dich daraus retten. Leider haben sie nicht mitbekommen, daß Harmageddon im Jahr 1975 abgesagt wurde, weil der damalige President wegen Schnupfen nicht zu der Veranstaltung gehen konnte.
Also es gibt sie, die aufdringlichen Zeugen Jehovas, aber es sollte nicht der normalfall sein.
Sag einfach, du warst mal ein zeuge Jehovas, und bist jetzt Satanist, oder du bist von den Zeugen Jehovas zu den Katholiken zurückgegangen, und fühlst dich in der Kirche wohl. Dann bekommst du einen Vermerk in der Gebietskarte, und sie lassen dich eine Zei in Ruhe. Dann kommen Älteste, und die wirfst du dann raus. Die sind friedlicher.
In den Zusammenkünften wird gepredigt, daß es wichtig ist, die Tür für Rückbesuche offen zu halten. Also nicht alles auf einmal sondern scheibchenweise in vielen Besuchen. Eine typische Reaktion von Zeugen wäre ja wenn sie antworten "Dann lass ich ihnen eine Zeitschrift da, und komme ein anderes mal wieder" So wird es in den Zusammenkünften gelehrt.
Andererseits wollen sie Ansehen in der Versammlung, und das geht nur mit Bibelstudium, und mit viel Predigtdienstzeit. Wenn du am Land wohnst, und noch dazu am Ende der Gebietskarte, dann ist hier ein Problem, weil die Zeugen sind auch Müde. Sie wollen ihr Stundenziel erreichen. Dazu fehlt noch eine halbe Stunde. Der nächste Rückbesuch ist 20 Minuten zu Fuß entfernt. So weit wollen sie nicht gehen. Also labern sie dich voll. Andere sind so brainwased, daß sie die ganze Sache selbst glauben. Wenn die einen Wachtturm aus dem Jahr 1974 in die Hand bekommen, dann glauben sie, daß harmageddon wirklich 1975 War, und wollen dich daraus retten. Leider haben sie nicht mitbekommen, daß Harmageddon im Jahr 1975 abgesagt wurde, weil der damalige President wegen Schnupfen nicht zu der Veranstaltung gehen konnte.
Also es gibt sie, die aufdringlichen Zeugen Jehovas, aber es sollte nicht der normalfall sein.
Sag einfach, du warst mal ein zeuge Jehovas, und bist jetzt Satanist, oder du bist von den Zeugen Jehovas zu den Katholiken zurückgegangen, und fühlst dich in der Kirche wohl. Dann bekommst du einen Vermerk in der Gebietskarte, und sie lassen dich eine Zei in Ruhe. Dann kommen Älteste, und die wirfst du dann raus. Die sind friedlicher.
Abonnieren
Posts (Atom)